Montag, 30. Juni 2014

Zwei Welten


Wo ich hier bin, ich glaube das ist gar nicht so leicht für euch zu verstehen. Ich denke mir oft, es gibt kaum einen größeren Kontrast zu meinem deutschen Leben. Deswegen war es auch nicht grade das einfachste sich hier einzuleben, aber jetzt, wo es wirklich bald dem Ende zu geht, kann ich sagen, sehr viele Sachen werde ich vermissen.
Wenn ich von hier spreche, dann nur von meinem kleine Fleck im Wald, an anderen Orten Costa Ricas kann es ganz anders aussehen.

Zum einen das Klima, jeden Tag 30 grad, nie muss ich frieren und man läuft jeden Tag in kurzen Sachen rum.
Ich lebe am Meer, 15 min durch den Wald gelaufen und schon befinde ich mich an einem Menschenleeren Strand, an dem die Wellen nur so brechen und die Papageien über dir hinweg fliegen.
Auch wenn er manchmal nervt, besonders in der Stadt, hier im Regenwald ist der Regen zu Hause. Aus dem Nichts taucht er auf und prasselt nur so auf dich ein. Alles ist nass, aus Wegen werden Bäche und aus Flüssen, gefährliche Ströhme. Ich hatte auch schon Situationen wo ich abends nicht mehr durch den Fluss konnte, den ich zu meinem Haus überqueren muss. Da stand ich also, nass und sah riesige Baumstämme den Fluss lang schwemmen. Nur bis zu den Knien nass und ich konnte schon Spüren, wie mich das Wasser bedrohlich mitziehen möchte. Also entschied ich eine Nacht in der Station zu schlafen, denn durch diese brauen Massen konnte ich mich dann doch nicht schlagen.
Wenn es blitzt ist es taghell und der Donner tut einem schon in den Ohren weh. Stürme darf man hier nicht unterschätzen.
Wenn ich hier durch die Gegend laufe, finde ich keine Zigarettenstummel oder Kaugummiflecken auf dem Boden. Nein ich finde Pumafußspuren, Wildschweinfußspuren, Samen, Muscheln oder Papageinfedern.
Elektrizität ist eine Frage des Wetters. Wir gewinnen Energie durch Sonnenkraft oder einem Generator im Fluss. Ohne Sonne oder Regen kann es vorkommen, dass alles hier stirbt und das kommt fast täglich vor. Ohne Taschenlampe kann ich mich Nachts nicht bewegen, denn auf einmal wird alles dunkel. Elektronische Geräte kannst du nicht immer benutzen, denn ohne Akku keine Chance. Also macht mal für einen Tag euer Licht aus und geht nachts mit Taschenlampe aufs Klo, schaltet den Computer aus und euern Toaster Kühlschrank oder was auch immer.
Hier muss man nicht aufpassen in Hundescheiße oder Glasscherben zu treten, sondern aufpassen in keine gefährliche Schlange hineinzulaufen, sich nicht mit ‘nem Handtuch abzutrocknen auf dem ein Skorpion sitzt, oder von Wespen gestochen wird.
Mode, Style und Schuhe, wer braucht das schon? Was hier angesagt ist, ist ab gegammelte Kleidung, irgendein T-Shirt mit Shorts und ich besitze 2 paar Schuhe: 1 paar Crocks (ich weiß ich sollte mich selbst auslachen) und Gummistiefel, mehr brauchst du hier nicht.

Jetzt mal ein bisschen genereller
Wenn ich an meine Schulzeit zurück denke, kann ich mir kaum vorstellen, dass es auch ein anderes Verständnis von Schule gibt. Ganz in der Nähe wo ich hier bin gibt es eine Schule, mit 2 Kindern und einem Lehrer für alles. Was er am liebsten tut ist, Blockflöte oder Fußballspielen oder Handyspiele. Wenn ich mir vorstelle wie uns das Wissen so heriengeprügelt wurde, haben die hier keine Chance überhaupt an etwas zu kommen. Mit 12 Jahren wissen sie immer noch nicht was 3 mal 4 ist und das Costa Rica ein Land ist und kein Kontinent.
Verkehrsanbindung ist „etwas“ anders. Es gibt einen Bus (Lastwagen mit Bank) der 2 mal am Tag kommt und für 25 Kilometer ins nächste Dorf, fast 2 Stunden braucht. Auch meine Busfahrt in die Hauptstadt kostet mich 9 Stunden für 320km. Wenn ich da an unsere Autobahnen denke, das würde mir so einige Hinterteilschmerzen verschonen.
Kein Zement, keine Abgase und keine Menschen, es kommt häufiger vor, dass ein Tier die Straße überquert, als ein Mensch.
Planen bringt hier eh nichts, kostet dich nur Nerven, denn alles wird anders ausgehen.
Du willst dorthin, doch zufällig liegt ein Baum auf der Straße und es geht nicht. Du setzt darauf, dass ein anderer etwas für dich abholt, aber wenn du es nicht tust, tut es keiner. Du willst eine wichtige Mail abschicken, doch das Internet fällt aus. Du willst ein gutes Fotos schießen, doch deine Kamera beschlägt von Feuchtigkeit. Du willst heute in den Urlaub fahren, aber du bist zu müde, also ist es morgen. Du willst endlich dein leckeren Kekse essen, doch da hatte schon ne Kakerlake vorher Spaß dran. Du willst endlich schlafen gehen, doch du hast Wanderameisen in deinem ganzen Raum, dass es nicht geht.

Wenn ich mal unterwegs bin...
Wenn wir die Nationalparks besuchen, oder andere Stationen schlafe ich oft im Zelt. Mittlerweile ist das eine meiner Lieblings Betten geworden. Man steht morgens auf und hat direkt die Natur hautnah.
Ich wusste nicht das man mal so abhängig von den Gezeiten sein kann. Wenn Flut ist kommt man oft nicht durch Flüsse denn das Wasserlevel steigt an. Oft schon bin ich komplett nass, das Wasser bis zum Kinn und Rucksack auf dem Rücken durch einen Fluss gelaufen. Erst vor kurzen wollten wir durch eine Flussmündung auf die andere Seite doch als ich Juan Carlos langsam rückwärts gehen gesehen habe, dachte ich mir schon da ist wohl was im Wasser. Und ja nur ‘nen halben Meter von ihm weg war ein Hai und ich konnte sie nur so im Wasser schwimmen sehen. Deswegen blieben wir dann doch lieber auf unserer Seite.
Man ist mit der Natur hautnah, tritt in Ameisen, Stacheln oder wird von ekeligen nässelnden Pflanzen gestreift, man muss lernen achtsam zu sein und die Umgebung einzuschätzen.

Neben all diesen wunderbaren Erlebnissen, habe ich auch das Glück ab und an gratis in einer Ecolodge zu verweilen. Dies tuen wir, weil wir die unterschiedlichen Mitglieder des Camara Trap Network persönlich trainieren müssen Kameras aufzustellen, Daten zu analysieren und Spuren zu suchen. Also hatte ich auch schon die ein oder andere Nacht in einer teuren Ecolodge hinter mir, mit 3-gänge Menü, heißem Wasser, riesigem Bett und alle haben mich bedient. Ob Kokusnussdusche unter Sternenhimmel, Bambusbett oder Delfine beim Frühstück, es war alles schon dabei.

Ja wie ihr seht, habe ich so einige Kontraste zu bieten und kein Wunder das man davon sehr viel vermissen wird.